Warum wir wieder mehr reden sollten – ein Plädoyer für das gesprochene Wort
- Kilian Benno Moll
- 5. Apr.
- 2 Min. Lesezeit

Es beginnt meist ganz unauffällig. Ein kurzes „Okay“ per WhatsApp. Ein „Ich melde mich später“ per SMS. Ein ganzer Streit, der nur über geschriebene Worte geführt wird –ohne dass je ein Ton gefallen ist. Wir schreiben. Ständig. Überall. Mit allen. Doch wir sprechen kaum noch.
Die stille Sprachlosigkeit der digitalen Zeit
In einer Zeit, in der wir gefühlt pausenlos kommunizieren, könnte man glauben, wir seien so verbunden wie nie zuvor. Wir chatten in Gruppen, schicken Sprachnachrichten (die oft nie angehört werden), tippen E-Mails im Sekundentakt und liken oder kommentieren in Windeseile. Doch trotz (oder gerade wegen) dieser ständigen Erreichbarkeit scheint etwas Wesentliches verloren zu gehen: das wirkliche Gespräch.
Ein Gespräch, bei dem man sich in die Augen sieht. Ein Gespräch, bei dem man zögert, nach Worten sucht, vielleicht auch mal schweigt. Ein Gespräch, das nicht gelöscht oder zurückgerufen werden kann. Ein echtes Gespräch – mit Stimme, mit Tonfall, mit echtem Gefühl.
Warum das gesprochene Wort so wertvoll ist
Sprechen ist mehr als Informationsaustausch. Sprechen ist Verbindung. Es ist ein soziales Band, das uns spüren lässt: Ich bin gemeint. Ich bin gehört. Ich bin wichtig.
Wenn wir sprechen, passiert mehr, als man auf den ersten Blick sieht. Die Stimme zittert vielleicht – und zeigt, dass jemand berührt ist. Ein Lachen bricht plötzlich heraus – und steckt uns an. Eine Pause entsteht – und in ihr liegt oft mehr als in tausend Worten.
Sprechen ist menschlich. Es ist lebendig. Es ist unberechenbar, voller Nuancen – und gerade deshalb so tief.
Schreiben kontrolliert. Sprechen berührt.
Wenn wir schreiben, wählen wir unsere Worte mit Bedacht. Wir löschen, korrigieren, feilen. Wir machen uns Gedanken darüber, wie etwas wirkt. Aber: Wir denken selten darüber nach, wie es ankommt.
Im Gespräch hingegen kann man spüren, was zwischen den Worten mitschwingt. Man hört, ob jemand ehrlich ist, ob er unsicher ist oder wütend. Man kann nachfragen, klären, gemeinsam verstehen.
Und: Man ist in Beziehung. Echt. Direkt. Unvermeidlich.
Wenn man nicht spricht, passiert etwas Gefährliches
Wer nicht mehr spricht, zieht sich zurück. Nicht körperlich – aber emotional. Die Verbindung wird schwächer. Missverständnisse entstehen. Unausgesprochene Dinge stauen sich. Und irgendwann wird ein harmloses „Schon gut“ zu einer stillen Anklage.
In Beziehungen – sei es partnerschaftlich, familiär oder beruflich – ist das Gespräch das Fundament. Wenn wir aufhören zu reden, bröckelt dieses Fundament. Langsam. Leise. Und oft unbemerkt.
Wie wir wieder ins Gespräch kommen
Es braucht nicht viel.
Einen Kaffee am Küchentisch – ohne Handy.
Einen Spaziergang – nebeneinander, nicht voreinander.
Ein bewusstes „Ich würde gern mal mit dir reden.“
Oder einfach die Entscheidung: Heute rufe ich an, statt zu schreiben.
Sprechen bedeutet, sich zu zeigen. Sich verletzlich zu machen. Aber auch: sich gegenseitig zu halten.
Und manchmal… redet man nicht, um Lösungen zu finden.
Man redet, um nicht allein zu sein.
Ich lade dich ein: Sprich heute mit jemandem, mit dem du lange nicht gesprochen hast. Nicht, weil es etwas zu klären gibt. Sondern einfach, weil echte Gespräche wieder einen Platz in deinem Leben verdienen.
Denn Worte verbinden. Und echte Stimmen bleiben im Herzen.
Comments